Seemacht

Seemacht
See|macht 〈f. 7u
I 〈unz.〉 Gesamtheit der Seestreitkräfte
II 〈zählb.〉 Staat, dessen Macht auf seiner Flotte beruht; Ggs Landmacht

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See|macht, die:
Staat, der über beträchtliche Seestreitkräfte verfügt.

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Seemacht,
 
ein Staat, dessen Macht zu einem wesentlichen Teil auf seinem maritimen Potenzial, insbesondere der Kriegsmarine, beruht. Die Stellung einer Seemacht im Verhältnis zu anderen hängt ab von der Stärke der jeweiligen Kriegsflotte (Schiffszahl, Modernitätsgrad, Einsatzbereitschaft), von deren Präsenz auf den Weltmeeren und von der allgemeinen seestrategischen Position des betreffenden Staates. Die jeweils führende, stärkste Seemacht übt die globale, jedoch relative und im Ausmaß von Fall zu Fall unterschiedlich ausgeprägte Seeherrschaft aus, sie ist damit stets auch Weltmacht. Das Ringen der Seemacht um die Seeherrschaft hat nach der Lehre des amerikanischen Admirals A. T. Mahan fundamentale Bedeutung für der Verlauf der welthistorischen Entwicklung.
 
 
Das älteste Beispiel einer Seemacht ist Kreta, dessen Machtbereich Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. das gesamte Mittelmeer umfasste. Eine ausgesprochene Seemacht im Gegensatz zur Landmacht Sparta wurde Athen nach den Perserkriegen (»Attischer Seebund«). Im westlichen Mittelmeerraum trat im 3. Jahrhundert v. Chr. Rom an die Stelle Karthagos (Punische Kriege). Im Mittelalter dominierte lange Zeit Venedig in Konkurrenz v. a. mit Genua über die Seewege im Mittelmeer, die Hanse über die im Nord- und Ostseeraum. Führende Seemächte der Neuzeit waren die iberischen und die westeuropäischen Staaten, v. a. England beziehungsweise Großbritannien, das nach der Ausschaltung der wichtigsten Konkurrenten Spanien, Niederlande und schließlich Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts (Seeschlacht von Trafalgar 1805) eine hegemoniale Stellung erlangt hatte. Zusammen mit seinen Kolonialgebieten erwarb Großbritannien auch die seestrategisch wichtigsten Positionen in den Weltmeeren, v. a. zur Sicherung des Seeweges nach Indien sowie seiner Stellung in Südostasien/Ozeanien (Politik »östlich von Suez«). Der Erwerb überseeischer Gebiete und Stützpunkte durch Russland, die USA, Japan und Deutschland im Zeitalter des Imperialismus konnte diese Vorrangstellung nicht erschüttern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Deutsche Reich zur zweiten Seemacht hinter Großbritannien, konnte aber im Ersten Weltkrieg dessen Position nicht entscheidend schwächen. Nach 1918 musste Großbritannien aber den Aufstieg v. a. der USA und Japans als konkurrierende Seemächte hinnehmen, im Washingtoner Flottenabkommen von 1922 wurde die Kriegsschifftonnage in einem Verhältnis von 5 : 5 : 3 festgelegt. Das Deutsche Reich erhielt im Deutsch-Britischen Flottenabkommen von 1935 eine Stärke von 35 % der britischen Flottenstärke zugebilligt. Im Zweiten Weltkrieg behaupteten die westlichen Alliierten ihre Seeherrschaft und legten damit eine der Grundlagen für ihren Sieg; allerdings verlor Großbritannien seine führende Position als Seemacht an die USA. Nach 1945 war die amerikanische Marine in der Lage, mit einem Netz von Stützpunkten weltweit präsent zu sein. Ihre unangefochtene Seeherrschaft, für die die Flugzeugträgerkampfgruppen symbolisch wurden, erlitt in den 1970er-Jahren eine Beeinträchtigung, nachdem die Sowjetunion aufgrund der Erfahrungen mit der Kubakrise damit begonnen hatte, ihre Flotte zu einem global operierenden Machtinstrument auszubauen. Auf die vermeintliche sowjetische Bedrohung der amerikanischen Seemachtstellung reagierend, forcierte Präsident R. Reagan in den 1980er-Jahren den Ausbau der US-Navy zu einer »600-Schiffe-Flotte«, ein Vorhaben, das nach Beendigung des Kalten Krieges und dem Wegfall der Sowjetunion als konkurrierender Seemacht zu Anfang der 90er-Jahre nicht weiterverfolgt wurde.
 
 
American sea power since 1775, hg. v. A. Westcott (Chicago, Ill., 1947);
 H. W. Richmond: The Navy as an instrument of policy, 1558-1727 (Cambridge 1953);
 H. W. Richmond: Sea power in the modern world (Neuausg. New York 1972);
 F. Ruge: Der Seekrieg 1939-1945 (31962);
 
Moderne S., hg. v. F. Wiener (1972);
 
S. u. Außenpolitik, hg. v. D. Mahncke u. a. (1974);
 S. G. Gorschkow: Die Rolle der Flotten in Krieg u. Frieden (a. d. Russ., 1975);
 S. G. Gorschkow: S. Sowjetunion (a. d. Russ., 1978);
 
Kriegsschiffe u. Seeschlachten, hg. v. I. Parsons (a. d. Engl., 1976);
 P. M. Kennedy: Aufstieg u. Verfall der brit. S. (a. d. Engl., 1978);
 H.-C. Junge: Flottenpolitik u. Revolution. Die Entstehung der engl. S. während der Herrschaft Cromwells (1980);
 H. Pemsel: Biograph. Lex. zur Seekriegsgesch. (1985);
 H. Pemsel: Seeherrschaft. Eine maritime Weltgesch. von den Anfängen der Seefahrt bis zur Gegenwart, 2 Bde. (1985);
 E. B. Potter u. C. W. Nimitz: S. Eine Seekriegsgesch. von der Antike bis zur Gegenwart (a. d. Engl., Neuausg. 1986);
 P. Rudolf: Amerikan. S.-Politik u. maritime Rüstungskontrolle unter Carter u. Reagan (1990);
 S. Terzibaschitsch: S. USA, 2 Bde. (Neuausg. 1997).
 
Weitere Literatur: Kriegsmarine, Kriegsschiffe.
 

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See|macht, die: Staat, der über beträchtliche Seestreitkräfte verfügt.

Universal-Lexikon. 2012.

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